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Martin Buber / Emil Brunner

Das menschliche Handeln und seine Problematik

Aussprache zwischen Martin Buber und Emil Brunner bei Dr. Trüb in Zürich, am 17. Juni 1928

Buber: Ich habe das menschliche Handeln als Thema unserer Aussprache vorgeschlagen, aus Erfahrungen heraus, die wir in Deutschland gemacht haben und die meinen Kreis dort beschäftigen. Seit dem Kriege beschäftigen sie uns ungeheuer. Es ist begreiflich, wie das zugeht. Irgendwie ist einem eben — ich weiß nicht ob hier wie dort — die Problematik des menschlichen Handelns dort wirklich demonstriert worden, nicht nur ad oculos. Und aus dieser Katastrophe ging die Frage für viele Menschen hervor: gibt es ein wirkliches Handeln? Wenn es diesen Grad von Erfolglosigkeit gibt, gibt es überhaupt ein letztgültiges menschliches Handeln, oder ist alles menschliche Handeln seinem Wesen nach problematisch gebrochen, eigentlich sinnwidrig? Kann der Mensch überhaupt handeln, darf er handeln? Oder ist es nicht in einem Maß unter dem Gericht, daß jede handelnde Zielsetzung, wenn sie nicht mit allen Bedingtheiten, Einschränkungen und Kautelen geschieht, ich möchte sagen so, daß ihre Widersinnigkeit schon in die Zielsetzung einbezogen wird, illegitim ist; daß also dies die einzige legitime Form des Handelns wäre? Uns hat diese Frage sehr beschäftigt, und meine Freunde und ich haben immer wieder gefunden, daß in Diskussionen das Ernsteste, was wir kennen, und die unernsteste Art zu sprechen einander begegnen in der Legitimierung des Handelns. Die ernsteste: Karl Barth; die unernsteste: deren Namen ist Legion. Daß sich die Strenge des kritisch theologischen Sprechens und — ich möchte es ganz sagen, wie ich es empfinde — der Libertinismus der verbreiteten Geläufigkeit der Tatsächlichkeit des Lebens der meisten Menschen in der Negierung des Handelns der Menschen in grausamer Weise begegnen. Ich spreche damit nicht irgendwie eine Kritik aus, sondern es ist eine ungeheure Tatsache, die ich feststelle; es ist etwas Unheimliches. Nicht etwa was die kritische Theologie betrifft, sondern eine unheimliche Begegnung des einen Nein mit dem andern Nein, obschon sie voneinander abgrundweit verschieden sind. Nun haben wir je und je versucht zusammenzukommen auch mit denen, die, sei es von eben dieser Theologie aus, sei es auch von einer gewissen Richtung der Katholiken aus, die Problematik des menschlichen Handelns besonders betonen. Und die Aussprachen waren uns vielleicht gerade da, wo sie zu keinem eigentlichen Ergebnis führten, lehrreich wichtig und haben uns weiter gebracht. Da wo man sich verständigte und nicht verständigte, wo man sich nur mitteilen konnte, was man meinte, und sogar da, wo man das nicht einmal konnte. Und darum schien mir das ein wichtiges Thema zu sein.

Offenbar hat sich dieser Gegenstand auch für dieses Land als wichtig erwiesen. Auch wenn man sich nicht zu einigen vermag, bloß kraft dessen, daß man sich gemeinsam dieser Realität zuwendet, die gemeint ist, so rückhaltlos als man kann, damit geschieht schon etwas, ist schon etwas geschehen. Das ist die Erfahrung, die wir gemacht haben. Ich meine damit nicht eine inhaltliche Verständigung. Ich erinnere mich an ein Gespräch von mir und meinen Freunden Natorp und Rang mit Gogarten und Guardini.1 Es wurde abgebrochen situationsmäßig, auf eine Weise, die mehrere von uns damals als etwas Grausames empfanden; es geschah ganz von selbst. Der Begriff des Amtes, den zwei hereinbrachten, zerschellte, zerbrach das Gespräch, und wir standen vor den Scherben und konnten nicht weiter. Wir gingen damals fast unglücklich auseinander. Und dennoch weiß ich, daß keiner der Teilnehmer ohne das Bewußtsein auf das Gespräch zurückblickt, damals ein wirkliches Stück des Weges mit den Andern zusammen auf diese seltsame Weise gegangen zu sein. Und das lag daran, daß wir diesen problematischen Gegenstand gewählt hatten. Meine Freunde und ich sprechen oft davon, daß wir es noch einmal wagen wollen, es wieder zu beginnen. Kürzlich hat uns die Lektüre des Buches von Grisebach2 wieder dazu gebracht.

Das war der Grund, warum ich dieses Thema vorschlug. Ich weiß nicht, wie weit es uns möglich sein wird, zum Gemeinsamen vorzudringen. Es geht also darum: Ist letztgültiges menschliches Handeln möglich? Wenn es etwa möglich ist, wie ist es möglich? Wenn es nicht möglich ist, was bedeutet das, daß es nicht möglich ist? Was für ein Handeln ist dann, das uns notwendig ist? Was für eine Bedeutung hat dieses Handeln? Gibt es in der seienden Wirklichkeit ein Handeln vom Menschen aus?

Brunner: Ich stehe unter dem selben Eindruck wie Sie. Und ich glaube, daß zunächst einmal das Nein deutlicher ist als das Ja, und ich weiß nicht, ob wir uns darin von vornherein verständigen können, daß diese Erkenntnis einer durchgreifenden, bis zum Sattelknopf durchschneidenden Problematik eine Notwendigkeit ist? Gerade wenn wir aus der Situation heraus denken, klar denken, warum diese Note jetzt so stark gespielt wird. Die Zeit vor dem Kriege ist ja die Zeit eines besinnungslosen Energismus und Aktivismus. Die Zeit eines ungeheuren Elan, der ins Leben hineinbricht mit einer ungeheuren Selbstverständlichkeit der Rechtfertigung. Es wird mir das jetzt gerade wieder deutlich angesichts meiner Aufgabe, in Amerika sprechen zu müssen. Dort empfinden wir ohne weiteres, in jener Atmosphäre, daß etwas fehlt, was uns wenigstens einigermaßen deutlich geworden ist, das was Barth mit dem Begriff Krisis ausdrückt. Wenn ich nicht irre, der Amerikaner hat davon noch wenig erfahren; er ist der Reiche. Das ist ungefähr die Situation, in der auch wir, wenigstens vor dem Kriege, gestanden haben und die ganze Welt, insofern sie noch handelt. Das ist die Situation, aus der heraus das Handeln kam, diese Selbstverständlichkeit.

Und nun ist die Frage an dem Zusammenbruch des Krieges erwacht und ist von einer Tragweite, die weit über das Ereignis hinausgeht: die der Krisenhaftigkeit der Zustände. Das wird uns zum Anlaß zu fragen: Ist nicht diese Erscheinung eine Erscheinung von etwas, was immer ist? Ist der Mensch, der nun in der Nachkriegszeit offenbart, wessen Geist er ist, ist dieser ein spezifischer Mensch, ein besonders abgekommener, oder ist das der Mensch als solcher? Und da haben wir Theologen in der Schrift die Antwort gefunden: das ist der Mensch; so ist der Mensch; so ist sein Handeln. Es ist zu qualifizieren durch den Namen Sünde, und zwar nicht partiell, da und dort, sondern totaliter. Es betrifft den Menschen, nicht etwas im Menschen, sondern das Menschliche als solches, wie es jetzt ist. Und wir halten das fest in dem schwersten Wort, das vom Menschen gesagt werden kann: Sündenfall, Erbsünde. Und nun entsteht allerdings die Doppelfrage: Woher die Erkenntnis dieses Zustandes, und gibt es eine Möglichkeit neuer Art jenseits dieses Zustandes? Aber vielleicht ist es gut, wenn wir uns zunächst darüber verständigen, ob diese Krise irgendwie zu scharf, zu universell, zu allgemein, zu radikal, ungerecht also gefaßt wird, oder ob es so steht, daß der Mensch sündig ist. So denke ich mir die Voraussetzung unseres weiteren Gesprächs. Ob wir hier ein richtiges Aufweisen der Wirklichkeit erkennen, oder ob wir schon an diesem Punkt auseinandergehen müßten. Es wäre meines Erachtens sehr viel gewonnen, wenn wir über diese Voraussetzung nicht weiter zu diskutieren brauchten, wenn das unser Konsens wäre: so ist der Mensch.

Gruppe um Martin Buber

Von links nach rechts: Paula Buber, Martin Buber, Ernst Michel, Hans Trüb.
Das Bild wurde aufgenommen in Pura (Tessin) im Jahre 1948. Foto: Familie Trüb

Buber: Ja freilich, ich empfinde auch, daß damit eine Grundlage gewonnen wäre. Aber das ist etwas von einer Einfachheit, wie Sie es ausdrücken, was ich nicht vorfinde. Nicht als ob ich nicht von der Sündigkeit des Menschen überzeugt wäre, wenn ich den Menschen ansehe und meine menschliche Erfahrung. Empirisch würden wir uns schon verständigen können; aber hier geht es um etwas anderes. Wenn hier gesagt wird: Sündenfall[,] und ich im Ernst dies fasse, so werde ich von selbst im selben Ernst hingeführt auf die Schöpfung. Ich kann den Ernst des Sündenfalls gar nicht fassen ohne den Ernst der Schöpfung. Und nun, glaube ich, sollten wir versuchen, von beiden sozusagen unsystematisch zu sprechen. Daß wir versuchen, was ungeheuer schwer ist, zunächst den Sündenfall nicht als Mysterium zu fassen. Daß er Mysterium ist, etwas an das wir nicht hinzugelangen vermögen, ist selbstverständlich. Aber wenn jeder von uns im Ernst sich darnach befragt, so kann er es ja nur auf diese Weise, daß er annimmt, daß der Mensch sich damit befassen darf. Daß etwas daran ist, das nicht behütet ist. Daß vor der Erinnerung an den Sündenfall als etwas, was der Mensch bedenkt, zurückdenkt, nicht der Engel mit dem Schwert steht. Daß der Mensch sich damit befassen darf und soll, obwohl er weiß, daß irgendwo der Engel und das Schwert da ist: das erfährt er dann schon. Und dasselbe, meine ich, müssen wir mit der Schöpfung versuchen, so schwer es ist. Nämlich können wir dies nicht, und ich wage natürlich nicht ein glattes Ja darauf zu antworten, dann müßten wir aufgeben vom Sündenfall zu reden. Daß ich diese Frage so formuliere, hängt damit zusammen, daß ich gerade in der Barthschen Abbreviatur diese Wirklichkeit, auf die ich hindeute, nicht behandelt gefunden habe. Nicht als ob nicht davon gesprochen wäre.

Aber wie das zusammenhängt, wie es den Sündenfall geben kann, da es doch Schöpfung gibt, das habe ich nicht behandelt gefunden. Und weiter: Sie sagten Erbsünde. Es ist das schwerste Menschenwort, das ich kenne. Obwohl ich durchaus darin übereinstimme, daß durch das, was wir als Sündenfall bezeichnen, die Wirklichkeit verändert ist, die wirkliche Struktur verändert ist. Dennoch, ob dies bedeutet, daß die Adamssituation nicht mehr gegeben ist, diese Frage muß in allem Ernst gefragt werden. Wir dürfen diese Dinge nicht prinzipiell behandeln, sondern in ihrer ganzen Konkretheit. Diese Verändertheit der Struktur, bedeutet das nun, daß jene Entscheidungsmöglichkeit, die schöpfungsmäßig den Menschen zugeteilt war, schöpfungsmäßig nicht mehr besteht? Und weiter zurück: Bedeutet Schöpfung, daß die Entscheidung in diesem letzten, ernstesten, wirklichsten Sinn, daß der Mensch von sich aus Gott wählen und Gott verwerfen kann, daß das Angesicht der Welt sich verändert, in jenem Augenblick der Urgeschichte geschehen konnte und seither nicht mehr?

Ich bitte Sie, das recht zu verstehen: ich stelle nur Fragen. Aber es ist mir darum zu tun, ob wir diese Fragen, von denen wir genau wissen, daß sie am Rande des Möglichen sich bewegen, wissen, daß wir am Abgrund entlang fragen, etwa vermeiden können, indem wir vom menschlichen Handeln sprechen. Bedeutet dieses Sprechenwollen nicht, daß wir auf diese Fragen zugehen müssen und uns diesen Fragen ausliefern? Insofern es schon geschehen ist, ist es nicht genügend geschehen. Man sprach vom Sündenfall als von etwas, das man kennt, weil es in der Schrift steht. So, daß wir nicht mehr zu fragen haben. Oder müssen wir nicht fragen: Schöpfung — das bedeutet doch offenbar, soweit wir zu fassen vermögen, daß der Mensch Adam eingesetzt war, eingesetzt ist mit der Fähigkeit, die wir natürlich nicht zu begreifen vermögen, von sich aus zu entscheiden. Und wenn das in der einen oder andern Glaubenslehre nur punktuell gefaßt worden ist, daß er damals in der ganzen Fülle diese Entscheidungsmöglichkeit hatte, wenn es noch so punktuell ist, so ist dennoch in Wahrheit auch da noch die ganze Entscheidungsmöglichkeit.

Aber dann ist zu fragen: Geschieht nun der Schöpfung ihr Recht mit dieser Punktualisierung der Entscheidung? Aber für mich besteht auch diese Frage noch: Ob die Entscheidung vom Faktum der Erbsünde aus noch besteht im Glauben? Sie umgreift ja nicht mehr die ganze Fülle der Handlungsmöglichkeiten, sondern ist nur das letzte Ja oder Nein. Für mich besteht auch diese Frage noch, und zwar nicht von einer Glaubenslehre aus, sondern von der beängstigenden Wirklichkeit aus. Ist die Entscheidungsfähigkeit, die von der Schöpfung aus gemeinte Entscheidungsfähigkeit des Menschen[,] wirklich gemindert durch jene unbezweifelbare Veränderung der Struktur der Wirklichkeit, durch den Sündenfall die Entscheidungsmöglichkeit gemindert? Ist in diesem letzten Sinne jeder von uns in der Adamssituation, dennoch? In der Situation eines wirklichen Entscheidens? Wenn schöpfungsweise das wirkliche Entscheiden des Menschen auf eine freilich immer völlig unfaßbare Weise verwirkt ist — und das glauben wir damit, daß wir den Sündenfall glauben —, so frage ich mich: konnte durch ein Faktum, das einmal geschehen ist, diese Schöpfungsvollmacht aufgehoben werden, konnte der Mensch so Ungeheures gegen Gott bewirken, daß er die Entscheidungsmöglichkeit verwirkte? Das ist meine eigentliche Frage.

Brunner: Was für einen Sinn würden Sie dann mit der Veränderung der Struktur verbinden, wenn nicht eben den Sinn, daß sich, vorsichtig gefaßt, etwas in der Entscheidungsfähigkeit des Menschen verändert haben sollte? Wenn ich an den Sinn des Wortes Sündenfall möglichst heranzukommen suche, drängt sich mir das Wort auf: veränderte Stellung. Das Wesen des Menschen, des geschaffenen Adam in seiner Schicksalsmacht, in der Entscheidungsfähigkeit, ist doch wohl identisch mit der Stellung dieses Adam zu seinem Schöpfer. Und wenn sich nun durch den Sündenfall die Stellung des Menschen gegenüber seinem Schöpfer verändert, so ist damit — so scheint mir — das Wesen, und zwar gerade das Wesen, auf das es ankommt, das Entscheidungswesen des Menschen, verändert, und ich würde hier nicht umhin können, das Wort Schuld auszusprechen. Denn das meinen wir doch wohl mit Schuld, daß die Stellung verändert ist. Daß jene ursprüngliche Stellung: daß der Mensch Gott ins Auge schaut und Gott dem Menschen, verkehrt ist, und daß der Mensch, auch wenn er entscheidet, durch diese umgekehrte Stellung immer umgekehrt entscheidet. Die Entscheidungsfähigkeit kann nicht aufgehoben werden, ohne daß der Begriff Mensch aufgehoben wird. Aber die Frage ist die nach dem Belang, dem Inhalt dieser Entscheidung. Und da scheint mir der Begriff Sünde dies zu sagen, daß der Mensch zwar entscheiden kann, immer noch, aber nicht mehr recht entscheiden kann, weil zwischen ihm und dem Schöpfer etwas geschehen ist, was er nicht ungeschehen machen kann.

Emil Brunner und Karl Barth

Emil Brunner (links) mit Karl Barth (1964/65).
Foto: Emil-Brunner-Stiftung, Zürich

Und weiter: Ich bin mit Ihnen sehr einig darin, daß vom Sündenfall nicht gesprochen werden kann ohne zugleich von der Schöpfung. Die Frage aber, die hier entsteht, ist: wer spricht vom einen oder andern, auf Grund wessen wird das eine oder andere erkannt? Und da komme ich gleich auf das Zentrum — ich kann es nicht vermeiden —, auf den Erkenntnisgrund der einen und andern Erkenntnis, und von da aus wird die Frage nach Qualität ein neues Licht bekommen. Wir Theologen (ich bezeichne damit eine Redensmöglichkeit) weisen, wenn wir nach dem Erkenntnisgrund gefragt werden, nach dem, was uns möglich macht, recht, sinnvoll und einsichtig von Schöpfung und Sünde zu sprechen, auf den Punkt Offenbarung hin und sagen: weder das eine, die Sünde, noch die Schöpfung ist vom Menschen in seiner jetzigen, veränderten Struktur zu sehen. Es ist nicht nichts davon zu sehen; damit wäre ja der Begriff Mensch aufgehoben. Aber es ist ein verworrenes, unzureichendes und letzten Endes unernstes Wissen, und wenn es ein Nahekommen gibt, so ist es ein Wissen auf Grund der Offenbarung. Dadurch kommt dem Menschen — darin sehe ich gerade den Sinn der Offenbarung — der Schöpfungsursprung, den er verloren hat, wieder nahe, und darum kann er vom wiedererkannten Schöpfungsursprung aus sowohl von Schöpfung als vom Sündenfall sprechen. Und der Bezug auf die Frage der Punktualisierung ist im Zusammenhang dieser Gedanken: daß die Punktualisierung noch punktförmiger zu fassen ist als Sie es getan haben. Nicht einmal ja oder nein sagen kann der Mensch zu Gott. Nicht das, sondern von sich aus kann der Mensch nur nein sagen, und wenn es ein Jasagen gäbe, so ist es das Geschenk, das identisch ist mit der Offenbarung. Es ist ein Geschenk des Wieder-ja-sagen-Könnens. Darum ein Wieder-Können, weil diese Offenbarung zugleich jenes andere beseitigt, das zwischen den Schöpfer und sein Geschöpf hineingekommen ist, die Schuld.

Ich sehe nicht ein, wie wir von einem dieser Gedanken absehen können. Das ist die Problematik: der Mensch, der rein nur von der Gottesoffenbarung aus wieder im alten Sinne entscheidungsfähig wird. Aber es ist die geschenkte Entscheidungsfähigkeit, und das ist doch wohl der Begriff, der christliche Begriff des Wortes Glauben. Nicht eine noch im Menschen liegende Entscheidungsmöglichkeit, sondern eine ihm wieder gegebene Entscheidungsmöglichkeit. Von da aus kam dann die Frage nach dem Handeln.

Buber: Zunächst — aber nur ganz vorläufig — zu dem, was Sie zuerst sagten von dem Fall und dem, was die Strukturänderung bedeutet. Von dem Fall weiß ich aus der Schrift. Was ich sonst davon vom Menschen in unmittelbarer Rede oder mittelbar weiß, weiß ich doch nur dadurch, daß er sich auf die Schrift bezieht, und diese selbst ist für mich unlösbar mit Offenbarung verbunden. Aber nun nehme ich sie so wie sie ist. Nebenbei gesagt: Ich glaube nicht an die Schrift als reines Gotteswort, daß darin wirkliches Gotteswort bewahrt ist; sondern daß menschliche Materie in sie eingegangen ist und die ganze fragwürdige menschliche Wortgestalt angenommen hat. Auch dieses Buch hat diese Problematik. Wenn ich mich aber darein stelle und Schritt für Schritt gehe, erfahre ich zuerst, daß der Mensch gelernt habe ein Gut und Böse zu erkennen. Was freilich auch ein Grenzwort ist: das Wort Erbsünde steht ja nicht da. Aber dieses Gut und Böse zu erkennen steht da und ist vielleicht noch unheimlicher. Und was das ist, das weiß ich nicht. Aber etwas davon kann ich doch wohl vermuten.

Wenn Gott zu dem Menschen vor dem Sündenfall spricht, so meint er nicht, daß der Mensch das Gute im Gegensatz zum Bösen tun soll. Nun ist aber diese Situation, daß das Gotteswort ihm so gegenüber steht, ohne daß er von Gut und Böse weiß, nicht mehr da. Keines von beiden ist mit dem Wort Gottes identisch, Gut und Böse. Die Situation der Moral ist gegeben. Das scheint mir die veränderte Struktur zu sein. Aber die Schrift geht weiter. Die Schrift ist nicht zeitlos wie die Theologie, sondern sie erzählt. Sie berichtet weiter von weiteren Geschlechtern der Menschen, von Handlungen der Menschen, von Wort Gottes an die Geschlechter auf geschehende Entscheidungen zu. Es ist nicht so, daß nun das Wort Gottes zu Kain ein vollkommen anderes wäre, weil die Struktur der Wirklichkeit verändert worden ist. Sondern Gott spricht zu Kain ehe er sich entscheidet als zu einem Menschen, der jetzt entscheidet. Und dieses Gleichbleiben der Situation geht dann weiter. Gott spricht zu dem Menschen: zu Kain spricht er vor der Entscheidung die er zu treffen hat, ob er seinen Bruder morden wird; oder Gott spricht zu Abraham, ob er die Entscheidung treffen wird, daß er ihm seinen Sohn darbringt oder nicht. Das ist diesseits dessen, was irgend eine Glaubenslehre öffnet.

Es ist mir darum zu tun, daß es so ist. Denn wir müssen versuchen, von dem konkreten Gemeinsamen der Glaubenslehren auszugehen. Wenn Offenbarung damit identifiziert wird, was eine Glaubenslehre Offenbarung nennt, so wird das Sprechen unmöglich. Unsere Fragestellung muß notwendigerweise so sein: Gibt es ein konkretes Gemeinsames? Dieses Reden Gottes zu Kain, zu Abraham bedeutet wirkliche menschliche Entscheidung oder ... das wage ich nicht auszusprechen, wenn es das nicht tut. Aber hinsichtlich der Wirklichkeit der menschlichen Entscheidung ist die Situation nicht verändert. Sie ist verändert dadurch, daß es nun die Polarität gibt, daß dieses reine, paradiesische Verhältnis zum Wort Gottes durchkreuzt ist. Aber immer noch bedeutet das Wort Gottes an den Menschen die Möglichkeit wirklicher Entscheidung, und zwar nicht punktueller (nicht Jasagen zu Gott meinte ich, sondern nur glauben, sich ihm überantworten, oder versagen). Wenn wir diesseits der Offenbarung bleiben wollen — und das ist eine Chance die uns gegeben ist —, versuchend, im Ernst fortschreitend diesen Weg der Zeugungen und Geburten zu wandeln, den Ernst dieser geboren-werdenden und sterbenden Menschen, dieser von Gott angerufenen sich versagenden Menschen oder sich in Wahrheit entscheidenden Menschen (Abraham entscheidet sich in Wahrheit seinen Sohn zu opfern) ..., darin liegt die Wirklichkeit, die freilich in dieser Form der Offenbarung, der Schrift, uns gesagt ist; aber es ist doch anders als was Sie meinen. Und dies nun meine ich: daß dies dasteht, daß es diesen Kain, diesen Abraham gibt, das Wort zu Kain, zu Abraham und ihre Antwort gibt, das ist das Faktum des Menschen. Das ist der planetarische Mensch. Nicht Jude, nicht Christ; der Mensch, der von Offenbarung weiß und nicht davon weiß; der den Glauben fassen kann und der ihn nicht fassen kann; der das was Sie meinen gar nicht zu sprechen imstande ist, weil er das Wort gar nicht erfahren hat. Das ist der Mensch.

Damit will ich nicht die Offenbarung antasten, auch nicht die christliche. Denn obwohl ich die christliche Offenbarung nicht glaube, beziehe ich den Glauben an diese Offenbarung in die Wirklichkeit des Handelns zwischen Gott und Mensch ein. Aber überall gibt es den Menschen, nicht bloß in Europa, Menschen, die den Namen Gottes hassen und dennoch mit ihm zu tun haben. Überall. Das ist der selbe Mensch und das Wort, das wirkliche Menschenentscheidung meint, oder es ist nicht gesagt.

Spoerri:3 Ist nicht der Unterschied von Offenbarung und Schöpfung hinfällig? Ist nicht das Wort an Kain und Abraham schon Offenbarung?

Buber: Ich meine mit Offenbarung auch etwas das die Schuld aufhebt und den Menschen über den Stand der Schuld hinausträgt in einen andern Stand, wo er von Gott aus in sich geschehen lassen kann. Diese Offenbarung, die Sie meinen, die sozusagen gleichzeitig mit der Schöpfung ist, die allmalige, das ewige Sprechen Gottes, wenn das über Schuld hinwegträgt, dann gibt es ja keine Schuld im Sinne der Erbsünde. Dann geschieht es ja immer wieder.

Spoerri: Aber immer wieder als Geschenk. Nie so, daß der Mensch es in der Hand hat, und nie so, daß der Mensch, der in der Schuld steht, sie leicht nehmen kann, indem er damit rechnet, daß ihn etwas darüber wegträgt, sondern daß die Schuld in ihrer ganzen Schwere bestehen bleibt. Daß dann von der andern Seite dennoch als Gnade Offenbarung und Neuschöpfung kommt.

Buber: Was meinen Sie mit Schuld? Etwas, worein der Mensch geboren ist, oder etwas, was er begeht?

Spoerri: Beides. Wir haben an einem unserer letzten Abende vom Sündenfall gesprochen und gesagt, daß jede Sünde in den Sündenfall hineinreicht. Jede Sünde ist auch ein Hineinreichen in diesen Sündenfall, und ich weiß nicht, ob Ihre Frage, ob man hineingeboren wird, die rein somatische Frage meint, ob der Mensch in die Sünde geboren wird und keine Verantwortung hat.

Buber: Nein. Ob man über das eine oder das andere hinweggetragen wird, ist schon etwas verschiedenes. Und was mir scheint: das wirkliche Entscheiden des Menschen ist geschenkt. Es ist mir nicht wesentlich darum zu tun, ob der Mensch [Lücke]. Natürlich kann eine Entscheidung nur geschenkt sein, und zwar ist es absolutes Wunder, daß der Mensch sich entscheiden kann. Also Geschenk. Es wäre vollkommen widersinnig zu glauben, daß der Mensch sich aus sich entscheiden kann. Ich glaube nicht, daß ein Atheist glaubt, daß der Mensch sich von sich aus entscheiden kann. Dies ist eine rein theoretische Vermutung. Wir sind einig, daß es ein Geschenk ist, ein vollkommenes Wunder: Gott ist und der Mensch kann sich entscheiden. Beides in einem ist die Wirklichkeit. Die Wirklichkeit steht nun wirklich nicht unter der Logik. Unter ihr stehend müßten wir sagen: Gott ist oder der Mensch kann sich entscheiden. So wenn wir Gott logisieren oder unser gelebtes Leben logisieren. Aber wenn wir die Wirklichkeit meinen, die Wirklichkeit Gottes und die Wirklichkeit unseres gelebten Lebens, dann wissen wir, daß beides wirklich ist. Wenn ich von dem Gang der Schrift absehe und nur von unserer menschlichen Erfahrung ausgehe: Es gibt im Leben Momente unter den vielen Momenten des Lebens (vielleicht besteht das Leben nur aus Entscheidungsmomenten), die wir als Entscheidungsmomente erfahren. Da geht es so zu — so habe ich es erfahren, es wäre wunderlich, wenn es bei andern anders wäre —, daß in dem Augenblick, wo die Entscheidung zu treffen ist, ich weiß: Jetzt habe ich mich zu entscheiden. Ganz unabmeßbar, unlogisiert zu entscheiden. Das ist der konkrete Augenblick des Entscheidens. Hier weiß ich, daß vollkommen ausgespannt ist der ganze Abgrund von Ja zu Nein. Alles kann geschehen. Es ist die ganze Adamswirklichkeit da. Es geht gar nicht um die Sphäre der Empörung. Vielleicht geht es um irgendeine Angelegenheit irgendeiner Kreatur, vielleicht meiner selbst. Diese ganze Ausspannung besteht, und nun tue ich etwas von diesem Moment aus, und dann weiß ich, wenn ich mich nun mit der selben wirklichen Kraft besinne, mich nicht beobachte, mich nicht untersuche, mich einfach so selbst wahrnehmend wie ich atme, wie ich meinen Atem, meinen Blutkreislauf wahrnehme, ohne Willkür, nichts vornehmend, sondern so erfahrend was geschieht, dann weiß ich, daß ich anheimgegeben war, daß mich die Hand Gottes getragen hat; ich weiß gar nichts mehr von meiner Entscheidung. Ich vermag jetzt gar nicht zu fassen, daß ich mich entschieden habe. Es ist mit mir geschehen. Und wenn ich mich von dieser Wirklichkeit entferne und zeitlos davon spreche, kann ich nur sagen: beides in einem ist wirklich, Gott ist und der Mensch entscheidet. Die Logik fängt erst drüben an. Hier hat sie noch kein Recht. Wir stehen hier unter einem andern Gesetz. Hier nämlich, in der Wirklichkeit Gottes und unseres gelebten Lebens, gibt es allerwirklichst die coincidentia oppositorum.

Und nun noch einmal die Schrift: Das ist das, was ich meine mit Kain und Abraham, wenn ich sage, das ist Offenbarung. Wir brauchen keine Auffassung der Offenbarung — denn in der Auffassung gehen ja die Glaubenslehren auseinander — um dieses gleichbleibende allmenschliche Faktum zu begreifen, das uns alle verbindet, miteinander realiter im Verlaufe der wirklichen Momente unseres gelebten Lebens verbindet. Das ist unsere gemeinsame ganz konkrete Wirklichkeit, von der wir theologisch, aber auch biographisch reden können. Dies ist das was ich meine, was wir je und je versuchen können diesseits der Offenbarung. Daß wir‘s versuchen dürfen, empfinde ich als die Gnade der Gnaden. Daß wir so wie Kreaturen miteinander zu reden vermögen. Vielleicht darf ich sagen: nicht vom Wort Gottes aus.

Brunner: Ich hätte hier die Frage nach dem Charakter dieser Entscheidung. Ich denke, wir sind einig darüber, daß das was Sie geschildert haben existiert. Daß das die Wirklichkeit des Menschen ist, daß das der Mensch ist, abgesehen von allen geschichtlichen und offenbarungsmäßigen Veränderungen seiner Wirklichkeit. Aber nun frage ich nach dem Charakter dieser Entscheidung. Immer und überall ist der Mensch der Entscheidende. Aber es könnte sein, daß hier eine Logisierung dazwischen käme, nämlich daß zur Entscheidung gehöre das Ja-Können und das Nein-Können. Und nun befrage ich diese Entscheidung, meine eigene (ich rede darum auch in der Ichform): wenn ich mich entscheide — und ich weiß, daß ich mich fortwährend entscheide —, tue ich es jemals gerechtfertigt? Tue ich es so, daß wenn ich mich nachher prüfe, nicht im Entscheiden, sondern nachher, daß ich dann vor Gott stehen kann mit dieser Entscheidung? Ich weiß, ich habe mich entschieden, und um es tun zu können muß ja eine Möglichkeit da sein im Menschen. Aber die Frage ist, welches der Rahmen dieser Möglichkeit ist, wie weit sie geht. Nach diesem Rahmen frage ich von der Wirklichkeit aus, den Neger, den Hindu. Entscheiden wir uns jemals recht? Für mich heißt die Antwort: nein. Niemals entscheide ich mich recht. Ich sehe in meiner Entscheidung immer meine Sünde. Ich wäre ein Lügner, wenn ich davon abstrahierte. Wenn ich wahrhaft den Charakter meiner Entscheidung prüfe, wenn ich einem dieser Momente den Charakter der göttlichen Billigung zusprechen würde. Das ist der sich entscheidende Mensch in allen Gegenden und zu allen Zeiten, und dieser hat immer als Charakter seiner Entscheidung die Mißentscheidung.

Wir dürfen nicht mit dieser endgültigen Qualifizierung unserer Entscheidung alle Stufenwerte ausschließen. Es ist nicht alles eine gleichartige Masse Sündigkeit. Es gibt freilich sinnvolle und von uns Menschen anzuerkennende Differenzierungen menschlicher Entscheidung. Es gibt gerechte Entscheidung am menschlichen Maßstab gemessen. Aber vor Gott gibt es keine gerechte Entscheidung. Der Mensch weiß von einer Freiheit der Entscheidung, aber es ist die Freiheit eines Gefangenen. Es ist die Freiheit innerhalb eines total umzirkten Bereichs, und diesen Bereich nennen wir nun neutral die menschliche Wirklichkeit, oder die als Sünde qualifizierte menschliche Wirklichkeit. Diese ist nicht ohne Gnade. Ich stimme Ihnen von Herzen zu, daß wir die Entscheidungsmöglichkeit dank der göttlichen Gnade haben. Aber daß diese Gnade, die Schöpfungsgnade, den Rahmen der sündhaftigen Entscheidungsnotwendigkeit nicht sprengt. So würde ich meinen, wir müßten unabhängig von einander die Frage nach der Entscheidung und nach der Qualität der Entscheidung stellen. Die Sünde wäre nicht Sünde, wäre bloß Schicksal, wenn es nicht Entscheidung wäre. Aber die menschliche geschichtliche Entscheidungsmöglichkeit ist identisch mit der sündhaften Gebundenheit. Dies ist die Erbsünde, diese durch alles Menschliche hindurchgehende Gebundenheit in der Entscheidung. Da würde dann erst die Frage nach der Legitimität des menschlichen Handelns entstehen. Eine Legitimität relativer Art wäre gegeben im menschlichen [Lücke].

Buber: Es scheint mir, daß ich hier in der Tat etwas anders ansehe, obgleich der Ausgangspunkt gemeinsam ist. Selbstverständlich ist, daß, wenn man seine Entscheidung als solche betrachtet, sie in der ganzen Unzulänglichkeit steht. Aber ich gehe von da aus etwas anders weiter. Zunächst gehört diese Art der Feststellung in die Ichform. In der Ichform ist es möglich. Aber diese ist noch nicht die Wahrheit des ganzen Menschen. Ich weiß ja auch, daß ich meinen Sohn nicht zu opfern vermag. Ich weiß, wie es mit mir beschaffen ist. Weiß ich etwa damit wirklich, wie es mit dem Menschen beschaffen ist? Kann man diese beiden Betrachtungen gleichsetzen? Indem ich mit mir rechte, abrechne, mich prüfe, mich buche und was ich vom Menschen weiß? Nicht einmal (bloß?) von Menschen, von denen ich weiß, kann ich sprechen. Ich kann sagen, sie haben Entscheidung[en] vollzogen, die das quantum satis bedeuten, das Gott von uns verlangen kann. Sie haben das dritte zu heteronomer und falscher Autonomie, die rechtschaffene Autonomie des Menschen.

Gott sagt zu Noah, er habe ihn bewährt gefunden. Und das alte und das neue Testament begegnen sich in dem seltsamen Satz: „Werdet heilig, denn ich bin heilig“ und „Werdet vollkommen (es wird wohl etwas wie heilig gemeint sein), wie Euer Vater im Himmel vollkommen ist“. Diese beiden imperativischen Sätze bedeuten etwas. Zumal im Zusammenhang eines dieser Worte darauf hingewiesen ist, daß es etwas gibt, was Unvollkommenheit ist und doch von Gott geforderte, schöpfungsmäßig, aber eben allmenschlich schöpfungsmäßig. Der Mensch ist eben doch nicht Gott und ist doch im Ebenbild geschaffen. Das ist ja nicht Erbsünde; sondern er ist eben Schöpfung. Von Adam ist ja nicht gefordert, daß er vollkommen sei. Aber er konnte vom Baume nicht essen. Aber (?) das können wir; nicht die Vollkommenheit; aber wir können das Gebot erfüllen, wir können in Wahrheit vom Baum nicht essen oder essen. Es wird uns nicht zugemutet, daß wir das schlechthin von Gott zu Billigende tun. Es wird gefordert, daß wir göttliches Gebot erfüllen, das menschlich zu Erfüllendes meint. Und dennoch, indem wir es zu erfüllen versuchen, auf eine Weise, deren Brüchigkeit, deren vollkommenen Versuchenscharakter wir ja wissen — jetzt spreche ich nicht mehr in der Ichform, sondern vom Menschen —, hat der Mensch im Sinne des zum Menschen gesprochenen „Ihr sollt von dem Baume nicht essen“ gehandelt. Ich sage: das ist erfüllbar, das göttliche Gebot ist erfüllbar, freilich in der ganzen Unzulänglichkeit des Menschen. Indem er es erfüllen will, kann er doch tun wie Gott meint. Also Sünde gewiß. Aber die Wirklichkeit der Sünde, das ist Ich. Ich weiß um meine Sünde. Aber nicht um die Sünde des Menschen, nur um meine Sünde. Das ist die Wirklichkeit von meinem Wissen um die Sünde. Mehr weiß ich nicht. Mehr weiß ich nicht. Der Mensch kann das Geforderte tun, und ich kann diesen Menschen Abraham einsehn und sehen, daß er seinen Sohn opfert. Das sehe ich; das geschieht. Fortsetzung



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