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Hans-Josef Wollasch

Karl Siegfried Bader zum Gedenken (1905-1998)

Karl Siegfried Bader wurde am 27. August 1905 als Sohn eines Lehrers in Waldau bei St. Märgen auf dem Schwarzwald geboren. Hier und später in Gutmadingen bei Geisingen sowie in Donaueschingen verbrachte er seine Jugendjahre, die Ferienzeiten oft in der Heimat seiner Mutter in Aach bei Engen. Daraus erwuchs seine Liebe zu der herben Landschaft der Baar und der heiteren des Hegaus. Nach dem Abitur in Donaueschingen 1924 studierte er in Tübingen, Wien und Heidelberg und promovierte 1928 zum Doktor der Rechte. Nur kurze Zeit war der Jurist im Staatsdienst tätig: 1933 wurde er entlassen, und diese Tatsache, verbunden mit der jüdischen Abstammung seiner Frau Eva, bewog das Gaupersonalamt, ihm als politisch nicht tragfähig die Aufnahme in die Badische Historische Kommission zu verweigern. Daraus wieder leitete sich eine weitere Zurücksetzung ab, und zwar beim Direktoren-Wettbewerb für das Badische Generallandesarchiv in Karlsruhe im Sommer 1938, als Bader, der „ohne Einschränkung als der Geeignetste und wissenschaftlich Fähigste galt“, nicht berücksichtigt wurde.

1933 eröffnete Karl Siegfried Bader in Freiburg eine Anwaltskanzlei und übernahm parallel dazu im wissenschaftlichen Bereich von 1936 bis 1945 die Leitung des Fürstlich-Fürstenbergischen Archivs in Donaueschingen. 1942 habilitierte er sich in Rechtsgeschichte und Kirchenrecht, obwohl er ein Jahr zuvor schon einberufen worden war; im Juli 1945 kehrte er aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft heim. Als Rechtsanwalt hatte sich Dr. Bader vieler jüdischer Mandanten angenommen, solange Juden oder sogenannte jüdische Mischlinge in der Stadt noch leben durften. Mit dem Eintreten für vom NS-Staat Entrechtete und Verfolgte traf er mit der gleichgesinnten Gertrud Luckner zusammen. Im Auto, bis dieses von der Wehrmacht beschlagnahmt wurde, und hinter den gepolsterten Doppeltüren des auch über eine Hintertreppe erreichbaren Büros, besprachen die beiden die schwindenden Möglichkeiten des Helfens, wissend, daß sie auf einer vom Überflutetwerden bedrohten Insel arbeiteten. In einer ausführlichen Rückschau im „Freiburger Rundbrief“‘ zum 60. Geburtstag von Gertrud Luckner hat Karl Siegfried Bader dieses Zusammengehen lebendig geschildert, das beendet wurde, als er eingezogen und Gertrud Luckner im März 1943 verhaftet wurde; zu diesem Zeitpunkt waren die meisten der badischen Juden längst deportiert.Wie Bader, so kam auch Gertrud Luckner im Juli 1945, nach ihrer KZ-Haft und einer abenteuerlichen Reise durch Nachkriegsdeutschland, wieder nach Freiburg. Während sie unverzüglich im Werthmannhaus mit dem vom Deutschen Caritasverband eingerichteten Referat „Verfolgtenfürsorge“ Hilfe für NS-Opfer anbahnte und vermittelte, engagierte er sich als politisch nicht belasteter und deshalb von der französischen Besatzungsmacht beauftragter „kommissarischer Oberstaatsanwalt“, dann als Generalstaatsanwalt in Freiburg in Prozessen gegen NS-Verbrecher, unter anderem gegen die Brandstifter an der Freiburger Synagoge.

Zu dieser politischen und sozialen „Aufräumungsarbeit“ rechnete er auch die Aufhellung der Umstände, die zu Gertrud Luckners Entdeckung und Verhaftung durch die Gestapo geführt hatten. Im August 1947 fuhren beide nach Düsseldorf, um aus den erhaltenen Ermittlungsakten der Gestapo Erkenntnisse und Belege für das Handeln von Gestapo-Akteuren und Caritas-Informant(inn)en zu gewinnen. Zwar gelang es dem Freiburger Generalstaatsanwalt nicht, Ermittlungsverfahren gegen von ihm Beschuldigte in Gang zu bringen. Doch verdanken wir es Karl Siegfried Bader, daß er durch die Anfertigung von Fotokopien aus den drei umfänglichen Original-Aktenbänden, die heute als verschollen gelten, der Nachwelt eine unschätzbare Quelle gesichert hat, die uns berichtet, was Gertrud Luckner im Dritten Reich für die Juden getan hat, und wie die damaligen Machthaber ihr und ihrer zahlreichen Helfer(innen) menschliches Tun bewerteten. Ein „testimonium caritatis“ nannte der Mitstreiter Bader, was Gertrud Luckner unter Lebensbedrohung geleistet hatte.

Die erschreckenden und bedrückenden Erfahrungen mit Antisemitismus und Judenhaß in der nationalsozialistischen Zeit führten Gertrud Luckner zu der Überzeugung, daß nur die Versöhnung und Verständigung zwischen Christen und Juden die Hoffnung auf ein friedliches Nebeneinander der Menschen zuließ. Bei ihrem konsequenten Aktivwerden in diese Richtung wußte sie sich von Freunden unterstützt. Das erste Treffen eines kleinen Kreises in Freiburg, am 16. März 1948 im Hause des Pathologen Franz Büchner (vgl. FrRu 4[1997]186,191), war dem Thema gewidmet: „Wie kann ein Gespräch im kirchlichen Raum zur Frage ,Christentum und Judentum‘ begonnen werden?“ Es vereinte neben der Initiatorin die Teilnehmer Karl Otto Thieme, Clemens Bauer, Alois Eckert, Emil Eiffler, Bernhard Welte, Rupert Giessler, Robert Scherer, Edith Reiß und Karl Siegfried Bader. Der dabei entwickelte Plan, eine periodische Publikation als Forum für Katholiken, Protestanten und Juden zu schaffen, wurde fünf Monate später mit der Startnummer des „Rundbrief zur Förderung der Freundschaft zwischen dem alten und neuen Gottesvolk — im Geiste der beiden Testamente“ verwirklicht.

Bader blieb diesem Gesprächskreis um Gertrud Luckner und ihren Anliegen treu; im März 1949 prägte er die Diskussion, wie anhand der von ihm referierten Gestapo-Akten G. Luckners der „Liebeswiderstand“ dokumentiert und ein Stück Humanität durch Weiterüberlieferung festgehalten werden könne. In seinem schon erwähnten Rückblick von 1960 rechnete er es zu seinen „schönsten Erinnerungen an die überwiegend böse Zeit dieser Nachkriegsjahre“, Gertrud Luckner zu manchen Kongressen und Besprechungen begleitet haben zu dürfen. Enttäuscht durch Schwierigkeiten und Mißerfolge bei Verfahren gegen Mittäter des NS-Systems, legte Karl Siegfried Bader 1951 das Amt des Generalstaatsanwalts nieder und folgte einem Ruf als Ordinarius für Rechtsgeschichte nach Mainz. 1953 übernahm er den Lehrstuhl für schweizerische und deutsche Rechtsgeschichte an der Universität Zürich. 22 Jahre lang, bis zu seiner Emeritierung 1975, hat er dort einen Forschungsschwerpunkt der Rechts- und Landesgeschichte gestaltet, der international Ansehen genoß. Bader selbst, der über 1100 Veröffentlichungen zum Strafrecht, zur Verfassungsgeschichte, zur Rechts- und Landesgeschichte besonders des alemannischen Raumes als Lebenswerk vorzuweisen hat, erfuhr dieses Anerkanntsein nicht minder. Er war geschätztes Mitglied im Bodensee-, Breisgau-, Hegau und hohenzollerischen Geschichtsverein, im Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte Konstanz und im Alemannischen Institut Freiburg. Die Fürstlich-Fürstenbergische Familie stützte sich auf seine Dienste als wissenschaftlicher Berater und Gutachter noch bis 1982. Die Stadt Singen am Hohentwiel, in deren Archiv er seine wissenschaftliche Korrespondenz hinterlegte, verlieh ihm die Goldene Ehrenmedaille. Für seine grundlegenden Forschungen über die Geschichte des Elztals erhielt er die Ehrenbürgerwürde der Stadt Elzach. Das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse nahm er erst im zweiten Anlauf an, seine „Abneigung gegen durchstochene Revers“ überwindend.

Von Zürich aus hat Karl Siegfried Bader noch über viele Jahre hinweg mit Gertrud Luckner korrespondiert, bis dann die natürlichen Beeinträchtigungen der um fünf Jahre älteren Kampfgefährtin gegen Unrecht und Unmenschlichkeit auch diese Gemeinsamkeit neutralisierten. Der Informationsaustausch mit dem Archiv des Deutschen Caritasverbandes über das Wohlergehen von „Lucki“ und das Schicksal der historischen Quellen zu ihrer Tätigkeit während der Nazizeit begann 1987 und verdichtete sich freundschaftlich. Prof. Baders ausgeprägtes Interesse an diesen selbst erlebten Zusammenhängen von Verfolgung, Widerstand und „Wiedergutmachung“ ließ ihn noch in den ersten Septembertagen 1998 die für den Druck vorbereitete Dokumentation der Gestapo-Akten Gertrud Luckners kritisch gegenlesen.*

Am 13. September 1998 ist Prof. Dr. Karl Siegfried Bader in Zürich gestorben, zwei Jahre nach seiner Gattin, die er lange Zeit noch gepflegt hatte. Im Familiengrab in Geisingen ist er, Ehrenbürger auch dieser Gemeinde, beigesetzt. Sein unbestechliches Eintreten für Verfolgte und Opfer von Unrecht, über lange Wegstrecken an der Seite Gertrud Luckners, soll nicht vergessen sein.

* H.-J. Wollasch: „Betrifft: Nachrichtenzentrale des Erzbischofs Gröber in Freiburg“. Die Ermittlungsakten der Geheimen Staatspolizei gegen Gertrud Luckner 1942-1944. (Karlsruher Beiträge zur Geschichte des Nationalsozialismus, Bd. 4, Konstanz 1999.)


Dr. Hans-Josef Wollasch ist Leiter des Archivs des Deutschen Caritasverbandes in Freiburg. 1) XIII, Nr. 49, 26. September 1960.


Jahrgang 6/1999 Seite 114



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