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Schulz, Alfons

Drei Jahre in der Nachrichtenzentrale des Führerhauptquartiers

Christiana Verlag, Stein am Rhein 1996. 274 Seiten.

Alfons Schulz war einer von 18 Soldaten, die als Funker, Telefonisten oder Betriebsfernsprecher im Nachrichtenbunker Hitlers beschäftigt waren. Als solcher hatte er einen außergewöhnlich nahen Einblick in die Kriegführung Hitlers. Er konnte aus unmittelbarer Nähe Hitler, Göring, Himmler, Goebbels, Jodl, Keitel und andere beobachten. Schulz war nicht nur kein Mitglied der NSDAP, sondern praktizierender Katholik aus den Reihen der von den Nazis verpönten und bald aufgelösten „Katholischen Jugend“. Seine technischen Fähigkeiten machten ihn bald unentbehrlich. So wurde er überall dort eingesetzt, wo der „Führer“ gerade sein Hauptquartier aufschlug, sei es in der Wolfsschanze in Ostpreußen, auf seinem Berghof, bei Winitza in der Ukraine oder in der „Anlage Wiesenthal“, von der aus Hitler im Dezember 1944 für kurze Zeit die Ardennenoffensive leitete. Nach Kriegsende wurde Schulz interniert. Daß er im „Führerhauptquartier“ gedient hatte, trug ihm jahrelange Verhöre und Nachforschungen ein. Es wäre interessant zu wissen, warum ein Zeitzeuge ersten Ranges wie Schulz erst mit einer Verspätung von fünf Jahrzehnten (1996) sein Buch veröffentlichte. Zwar läßt sich nicht sagen, er hätte grundlegend Neues oder bisher kaum Bekanntes veröffentlicht. Hier und da stößt man jedoch auf bisher unbekannte Details, die in ihrer brutalen Einfachheit so noch nicht beschrieben wurden. Im Kapitel „Geheime Verbrechen“ (98) erzählt der Verfasser, wie Mitte Mai 1942 sein Kamerad, Walter Meiendresch, totenbleich und sich übergebend vom Nachtdienst zurückkehrte. „In der fraglichen Nacht hatte er (Meiendresch) ein Gespräch zwischen Himmler und Bormann mitgehört. In diesem brachte der Reichsführer eine ,erfreuliche Nachricht‘ aus Auschwitz für den Führer. Wieder seien dort plangemäß 20 000 Juden liquidiert, — er verbesserte sich — evakuiert worden.“ Bormann hätte ihn darauf wütend angefahren und scharf darauf hingewiesen, daß solche Meldungen nur schriftlich durch Kuriere, ihm persönlich zur Weiterleitung an den Führer, zugestellt werden dürften. Er verbat sich energisch jegliche weitere Benachrichtigung über dieses Thema auf anderen Wegen. Meiendresch war derart schockiert, daß er krank wurde, war er sich doch bewußt, daß es hier um eines der meist gehüteten Geheimnisse und Verbrechen der Nazis ging und daß das unerlaubte Wissen den Tod bringen konnte. Nach dem Attentat auf Heydrich (Mai 1942) begann die Massenvernichtung im Osten auf hohen Touren zu laufen. Schulz war es während seiner drei Jahre im Hauptquartier auch gelungen, eine Reihe von historischen Fotos zu machen, z. B. mit Mussolini, Antonescu, Mannerheim, dem bulgarischen König Boris, Ribbentrop und anderen. Der Sohn von Alfons Schulz ist Historiker, und er war es offenbar, der seinen Vater dazu brachte, dieses Zeitzeugnis abzulegen.

Reuven Assor


Jahrgang 5/1998 Seite 309



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