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Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Leipzig (Hg.)

Pater Aurelius Arkenau O.P. - 7. Januar 1900 — 19. Oktober 1991

Zeugnisse und Berichte über einen unerschrockenen Nothelfer in Leipzig-Wahren. 2. erweiterte Aufl., hrsg. von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Stadtrat Leipzig. Redaktion und Kommentare: Dr. Helmut Warmbier. 112 Seiten.

Schon vor den im Buch angeführten Forschungsergebnissen wurde Pater Aurelius Arkenau als Widerstandskämpfer in der Geschichtsschreibung der DDR erwähnt und unter dem nichtproletarischen Widerstand eingeordnet. Als nach der Wiedervereinigung und den demokratischen Wahlen in Ostdeutschland die Stadtverordneten der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ von Leipzig den Widerstand gegen die Nazidiktatur in ihrer Stadt erforschten, stießen sie auch auf diesen katholischen Ordenspriester. Die Dokumentation ist eine Aneinanderreihung von Auszügen aus Publikationen, Nachrufen, Briefen, Gesprächen mit und über den Mann, Zeitzeugnissen, Erklärungen, Tagebuchnotizen, Berichten, Telefonaten, Reden, Fotos, die das Bild eines Widerstandskämpfers erstehen lassen, der aus seinem christlichen Glauben heraus Menschen in Not gegen die Übergriffe der Nazis rettete.

Da es sich nicht um eine zusammenhängende Darstellung handelt, ist bei den unverbunden nebeneinanderstehenden Schriften mit ihren Wiederholungen und Ergänzungen die Durchschaubarkeit und damit das Verständnis nicht immer leicht. Nach biographischen Angaben wird die Entwicklung des Dominikanerpaters aufgezeigt vom anfänglichen Befürworter der neuen Staatsmacht über seinen „kleinen Widerstand“, wie er ihn bescheiden nennt, bis hin zum Fürsprecher für eine neue demokratische Gesellschaftsordnung nach dem Ende der Naziherrschaft. Freimütig gesteht er seinen Irrtum nach der Machtergreifung ein: „Ich habe es eher einsehen, wissen können und habe es nicht gewußt“ (7). Dann aber öffnet ihm die zunehmende Brutalisierung des Systems die Augen. Schlüsselerlebnis ist ein Ereignis auf einer Reise von Leipzig in seine Oldenburgische Heimat. Er sieht, wie nachts auf einem Nebengeleise des Bahnhofs Magdeburg Juden mit Hetzhunden wie gemeines Vieh in Waggons getrieben und deportiert werden. „Ich weiß nur, daß mein Zorn da zu einem richtigen Haß geworden ist“ (28).

Wer fragt, wen er denn konkret gerettet hat, stößt auf Schwierigkeiten. Denn zum einen hat Pater Aurelius in seiner Bescheidenheit nach den Ereignissen kaum etwas davon verlauten lassen. Zum anderen war er kein Einzelkämpfer, sondern Mittelpunkt einer verschworenen Untergrundgruppe, der der spätere Oberbürgermeister, Dr. Erich Zeigner, der Kommunist Dr. Gelpke, der die Menschen ärztlich versorgte, Johann Landwehr, Josef Pankratz, die Kommunistin Gerda Thiele, ein höherer Beamter, der trotz „Heil Hitler“ kein Nazi war, die Krankenschwester Hildegard Kühnel und viele Anonyme angehörten. Sie versteckten und ernährten Kommunisten, Polen, Juden, Deserteure, Arbeiterpriester, Kinder und andere Nazigegner und Gejagte, versahen sie mit gefälschten Ausweispapieren und verhalfen zur Ausreise. Je anonymer das geschah, desto besser. So gibt es keine genauen Zahlen über Gerettete. Die Rede ist von 20 Juden (28) bis über 100 Menschen (24), die in der Lokalkaplanei St. Albert in Leipzig-Wahren und anderswo versteckt wurden. Konkret werden genannt: eine anonyme jüdische Ärztin, die sich in ihrem Versteck in einem Gartenhaus das Leben nahm; die katholische Jüdin Käthe Leibei mit ihrem Sohn Joachim-Richard Leibei, die in einer Gärtnerei in Halle/Saale mit gefälschten Papieren überlebten; zwei weitere anonyme jüdische Frauen; ein Landtagsabgeordneter und ein Sozialist, der Kommunist Martin Thiele, Prof. Alfred Menzel und wenigstens drei französische Mädchen, Töchter von zum Tode verurteilten französischen Spioninnen, die bei deutschen Pflegeeltern untergebracht wurden. Am besten ist die Rettung von Frau Leibel mit ihrem Sohn Joachim-Richard belegt, die unter dem Namen Käthe S. in Hamburg lebt. „Dadurch konnte in diesem Falle sehr konkret die Rettung einer jüdischen Mutter und ihres Kleinkindes und der entscheidende Anteil, den Pater Aurelius Arkenau daran hatte, nachgewiesen werden“ (VI).

Bernd Bothe


Jahrgang 4/1997 Seite 281



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