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Deselaers, Manfred

„Mein Gott, warum hast du mich verlassen ...?“

Kreuzwegmeditationen in Auschwitz. Einhard Verlag, Aachen 1995. 64 Seiten.

Wer immer sich einer Begegnung mit Auschwitz aussetzt, der macht die Erfahrung, daß die menschliche Sprache dem gegenüber versagt, was dort geschah, und doch dürfen wir nicht in Sprachlosigkeit verfallen; die Erinnerung an Auschwitz ist ein innerer Zwang, uns Worte für das Unaussprechliche abzuringen.

Manfred Deselaers, ein seit Jahren in Oświecim wirkender katholischer Priester des Bistums Aachen, legt einen Auschwitz-Kreuzweg vor, dem man die Nähe zur religiösen Sprachlosigkeit anmerkt. Er weiß und sagt es auch, daß in Verbindung mit Auschwitz leere Phrasen eine „Beleidigung der Opfer“ wären. Fern jeder vorschnellen religiösen Sinngebung wird in diesen Texten die Gottverlassenheit von Auschwitz im Glauben ernst genommen.

Die 14 Stationen dieses Kreuzwegs sind kein bloß äußerer Bezug der Passion Jesu zu den Opfern in Auschwitz. Sie erreichen vielmehr durch die Erinnerung an die Lagerrealität eine durch beeindruckende Bilddokumente noch verstärkte Konkretheit. Die Texte, in denen die Opfer selbst zu Wort kommen, um „uns zu sagen, was nicht vergessen werden soll“ (9), bilden als Mitte den eigentlichen Stoff der Besinnung. Angeregt wird diese durch einleitende Schriftworte aus dem Alten Testament. Der Kreuzweg stellt den Versuch dar, eingedenk der Schoa, doch in Wahrung der eigenen christlichen Identität einen Zugang zu Auschwitz zu finden. Dies macht seine Texte auch für Juden, wenn nicht nachvollziehbar, so doch in ihrem Anliegen verständlich. Den Lagererinnerungen folgen Meditationsanstöße sowie ein abschließendes Gebet. Sie dürfen nicht als Antwort auf Auschwitz mißverstanden werden; diese kann und will der Autor nicht geben.

Die Kreuzwegmeditationen sind schließlich auch eine Frucht deutsch-polnischer Begegnung, knüpfen sie doch an die Tradition polnischer Christen an, am ersten Sonntag im November auf dem gewaltigen Todesacker von Birkenau den Kreuzweg zu beten. Doch machen diese Betrachtungen „nicht nur in Auschwitz Sinn“, sie sollten in christlichen Gemeinden ihren Platz finden — eingedenk der bitteren Wahrheit, daß die Züge der Opfer aus fast allen deutschen Städten nach Auschwitz rollten (13).

Theo Mechtenberg


Jahrgang 4/1997 Seite 51



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