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Gertrud Luckner
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Das Gaza-Jericho-Abkommen

Am 13. September 1993 wurde in Washington vom israelischen Außenminister Shimon Peres und dem Mitglied des Exekutivkomitees der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) Mahmud Abbas ein Abkommen über eine vorläufig begrenzte palästinensische Selbstverwaltung in Jericho und dem Gaza-Streifen unterzeichnet. Die Willenserklärung beinhaltet das Ausmaß der palästinensischen Selbstverwaltung, den israelischen Truppenrückzug, Wahlen, Sicherheitsvorkehrungen, Regelung von Streitigkeiten, das Verhältnis zu den jüdischen Siedlern im Westjordanland und zu den palästinensischen Flüchtlingen, zu Jerusalem und zum wirtschaftlichen Wiederaufbau.

In der Präambel erklären beide Partner „daß es an der Zeit ist, den Jahrzehnten der Konfrontation und des Konfliktes ein Ende zu setzen, ihre beiderseitigen legitimen und politischen Rechte anzuerkennen und danach zu streben, in friedlicher Koexistenz und wechselseitiger Achtung und Sicherheit zu leben, um in dem vereinbarten politischen Prozeß eine gerechte, dauerhafte und umfassende Friedensregelung und eine historische Versöhnung zu erreichen.“

Als Ziel der israelisch-palästinensischen Verhandlungen wird eine „Selbstverwaltung“ der Palästinenser im Gaza-Streifen und in Jericho für den Zeitraum von fünf Jahren genannt. In dieser Zeit sollen zivile Verwaltungsinstanzen geschaffen werden, damit diese Gebiete nach demokratischen Grundsätzen als eine territoriale Einheit regiert werden können. Im Verlauf von vier Monaten nach der Unterzeichnung des Abkommens wird Israel seine Soldaten aus Gaza und Jericho abziehen. Das genaue Ausmaß des Rückzugs ist noch Gegenstand von Verhandlungen. Streitigkeiten zwischen Israel und den Palästinensern, die infolge dieses Abkommens entstehen könnten, sollen durch Verhandlungen im „Gemeinsamen Verbindungskomitee“ geklärt werden.

Am 9. September 1993 schrieb Yassir Arafat folgenden Brief an Ministerpräsident Rabin, der die letzten Hindernisse auf dem Weg zur Unterzeichnung des Abkommens vom 13. September wegräumte:

„Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Die Unterzeichnung der Prinzipien-Erklärung markiert eine neue Ära in der Geschichte des Nahen Ostens. Hiervon fest überzeugt, bekräftige ich die folgenden Verpflichtungen der PLO:

  • die PLO erkennt das Recht des Staates Israel auf eine friedliche und sichere Existenz an,
  • die PLO akzeptiert die Resolutionen 242 und 338 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen;
  • die PLO verpflichtet sich dem Friedensprozeß im Nahen Osten und der friedlichen Lösung des Konfliktes zwischen beiden Seiten, und sie erklärt, daß alle noch offenen Fragen in bezug auf einen permanenten Status auf dem Wege der Verhandlungen gelöst werden;
  • die PLO sieht in der Unterzeichnung der Grundsatz-Erklärung ein historisches Ereignis, das eine neue Epoche der friedlichen Koexistenz einleitet, frei von Gewalt und allen anderen Aktionen, die Frieden und Stabilität gefährden. Dementsprechend verzichtet die PLO auf Terrorismus und andere Formen der Gewalt, und sie wird die Verantwortung für alle PLO-Gruppen und Personen übernehmen, um deren Gehorsam zu sichern, Verletzungen der Vereinbarungen zu verhindern und jene zurechtweisen, die solche Verletzungen begehen;
  • angesichts der Versprechungen für eine neue Ara und der Unterzeichnung der Grundsatz-Erklärung und aufgrund der palästinensischen Anerkennung der Resolutionen 242 und 338 versichert die PLO, daß jene Artikel der palästinensischen Verfassung, die Israel das Existenzrecht verweigern, und jene Passagen der Verfassung, die dem Inhalt dieses Briefes widersprechen, nicht länger anwendbar und gültig sind. Deshalb wird die PLO dem palästinensischen Nationalrat die entsprechenden Veränderungen im Zusammenhang mit der palästinensischen Verfassung zur formellen Bestätigung unterbreiten.

Ihr aufrichtiger Yassir Arafat
Vorsitzender der Palästinensischen Befreiungsorganisation“

Yitzhak Rabin gab tags darauf folgende briefliche Antwort an Arafat:

„Herr Vorsitzender,
in meiner Antwort auf Ihren Brief vom 9. September 1993 möchte ich Ihnen versichern, daß die israelische Regierung angesichts der von der PLO eingegangenen Verpflichtungen, die Ihr Brief beinhaltet, entschieden hat, die PLO als Repräsentanten des palästinensischen Volkes anzuerkennen und im Rahmen des Nahost-Friedensprozesses Verhandlungen mit der PLO zu beginnen.

Hochachtungsvoll
Yitzhak Rabin, Israelischer Ministerpräsident


Der Weg zum Frieden zwischen dem jüdischen und dem palästinensischen Volk ist nach wie vor weit und beschwerlich. Aber wie sagt doch Rabbi Nachman von Bratzlaw: „Das Leben ist eine sehr schmale Brücke, aber es kommt nur darauf an, sich nicht zu fürchten.“ Red.


Jahrgang 1 — 1993/94 Seite 9


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