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Jona Kirchner

Die Summe der Eins ist Dreizehn

Eine Einführung in die Symbolik der Hebräischen Bibel

Die Hebräische Bibel ist mehr als nur ihre einfachen Wörter, aneinandergereiht, um Sätze, Absätze und Kapitel zu bilden und schließlich in drei Bücher zu münden. Das erste dieser drei Bücher, die Tora, ist jener Text, mit dem (Katrin) Jona Kirchner sich in ihrem informativen Buch eingehend beschäftigt. Nur Fundamentalisten lesen die Bibel auf lediglich einer Ebene.

Jüdische Gelehrte dagegen haben sich jahrhundertelang mit den verschiedenen Ebenen der Bibel befasst, sie studiert, und sind dabei auf immer neue Ebenen der biblischen Texte gestoßen. Dabei handelt es sich, das betont Kirchner ausdrücklich, um keine Geheimsprache, nicht um Esoterisches. Vielmehr sind die symbolischen Strukturen in den Tiefenschichten der Bibel nur wieder neu zu entdecken, genau wie die Kommentare, die ganze Bibliotheken füllen und heute jedermann zugänglich sind.

Statt einer Inhaltsbeschreibung seien lediglich einige Punkte herausgegriffen, um zu veranschaulichen, was sich dem Leser im Laufe der Abhandlung an vermutlich neuem Wissen offenbart. Wir lernen etwas über die Zeit, in der sich die Personen der Hebräischen Bibel bewegen: das Neolithikum oder die Jungsteinzeit (Adam und Eva, Kain und Abel) vor ungefähr 12 000 Jahren. Danach machen wir einen Sprung in die Bronzezeit (3200–1200 v. d. Z.), als Kain die Stadt Henoch baute (Gen 4,17). Ein weiterer Sprung bringt uns in die Eisenzeit (1200–600 v. d. Z.) zu Tubal, dem Vater der Erz- und Eisenschmiede. In insgesamt vier Genealogien gewinnen wir Einblicke, wie sich die Menschheit entwickelt.

Dabei erfährt der Leser von dem Einen G-tt mit seinen zwei Eigenschaften, wie sie seine beiden Namen andeuten: Der erste Name, Elohim, ist nichts anderes als die personifizierte Gerechtigkeit, und das Tetragramm JHWH, das ein traditioneller Jude nie ausspricht, ist der Ausdruck der Liebe. Und damit stellt Kirchner etwas sehr Wichtiges klar: Es gibt den Einen G-tt, und er ist Gerechtigkeit und Liebe zugleich, ausgedrückt durch seine beiden Namen. Wo, so fragt man sich, ist da der „Stachel des rachsüchtigen G-ttes“?

Und dieser Eine G-tt erscheint drei Menschen ganz persönlich. Auf dem Sinai erscheint er Mose:

„Und es stiegen hinauf Mosche und Aharon, Nadab und Abihu und siebenzig von den Ältesten Jisraëls. Und sie sahen den G-tt Jisraëls, und dass unter seinen Füßen war wie ein Werk aus leuchtendem Saphir, und wie der reine Himmel an Klarheit“ (Ex 24,9–10; Übers. J. K.).

Das geschieht um das Jahr 1447 v. d. Z., kurz nach dem Auszug aus Ägypten. Zum Zweiten, wir sind im 8. Jh. v. d. Z. und im Tempel in Jerusalem, berichtet der Prophet Jesaja von seiner Begegnung mit G-tt:

„Im Todesjahre des Königs Usijahu, da sah ich den Herrn sitzen auf hohem und erhabenem Throne, und seine Schleppen erfüllten den Tempel“ (Jes 6,1).

Der dritte Mensch, der den Einen G-tt zu Gesicht bekommt, ist der Prophet Ezechiel. Er lebte im Babylonischen Exil im 6. Jh. v. d. Z.:

„Am fünften Tag des vierten Monats [...] erging das Wort des Ewigen an Jeheskel [...] im Lande Kasdim, am Strome Kebar, und es kam dort über ihn die Hand des Ewigen. Und ich sah, und siehe, ein Sturmwind kam von Mitternacht her, ein großes Gewölk [...]. Wie der Bogen anzusehen, der in einer Wolke ist an einem Regentage, so war anzusehen der Strahlenkranz ringsum; das war der Schein von dem Bilde der Herrlichkeit des Ewigen“ (Ez.1,1–4,28).

Und, so wird der Leser fragen, wie kommt es zu diesem eigenartigen Rechenergebnis: Die Summe der Eins ist Dreizehn? Kirchner verrät ihre Berechnung: Echad, das hebräische Wort für Eins, besteht aus drei Buchstaben: aus dem Aleph mit dem Zahlenwert 1, dem Cheth mit dem Zahlenwert 8 und dem Daleth mit dem Zahlenwert 4. Zusammen ergeben die Buchstaben Aleph, Cheth und Daleth als Summe die Dreizehn!

So wie bei der Präsentation dieser überraschend einfachen Lösung einer Gleichung, wird der Leser auch gespannt Kirchners weiteren Ausführungen folgen, die ihn durch den Kosmos der Hebräischen Bibel führen. In fünf nützlichen Exkursen ist zusätzlich Interessantes über den Zusammenhang zwischen Jacobs Segen (über seine Söhne) und dem Tierkreis zu erfahren, ebenso wie über den Dekalog, über die dreizehn Eigenschaften Gottes, über das Gebet Sch’ma Jisrael und über den Segen des Mose über die Stämme Israels.

Am Ende der Abhandlung wird man bestätigen können: Ja, die Hebräische Bibel ist viel mehr als das, was sich auf den ersten Blick bietet, dank Jona Kirchner, die uns die Augen geöffnet hat!

Miriam Magall, München


Jahrgang 21 / 2014 Heft 4 S. 296−298

 



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