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Gertrud Luckner
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Israelische Regierung

Israel, die Bundesrepublik und die Araber. Teil 5. e) Araber in Israel

Teil e) des Beitrages "Israel, die Bundesrepublik und die Araber". Links zu den vorausgegangenen Beiträgen:

a) Das Recht zu sühnen

b) Der Wiedergutmachungsvertrag und die arabischen Staaten

d) Die arabischen Flüchtlinge

Anm. der Redaktion: Die hier im Jahre 1952 zum Ausdruck gebrachte Meinung einer staatlichen israelischen Behörde entspricht weder den heutigen Erkenntnissen noch den Ansichten der Redaktion des Freiburger Rundbriefs.

Palästina hatte Ende 1947 etwa 1 300 000 Araber, von denen 1 170 000 Muslime und 130 000 Christen waren. Davon lebten 700 000 in dem Gebiet, das jetzt den Staat Israel darstellt.

Von den Arabern Palästinas wohnten 850 000 in Dörfern, 400 000 in Städten und 50 000 bis 60 000 waren Nomaden- und Halbnomaden (Beduinen).

Der durchschnittliche Lebensstandard der palästinensischen Araber war im Vergleich mit den benachbarten arabischen Ländern relativ hoch. Ihre Dörfer waren wohlhabend. Ihre Citrus- und andere Fruchtplantagen dehnten sich von Jahr zu Jahr aus. Sogar die Wirtschaft der gewöhnlichen Fellachen hatte einen gewissen Grad einer Modernisierung erreicht. Der arabische Handel war voll entwickelt, und auch die Industrie wies einen bedeutsamen Fortschritt auf. Die Gesundheitsverhältnisse verbesserten sich ständig. Die Kindersterblichkeit war von 186 pro Tausend im Jahre 1922 auf 90 im Jahre 1946 zurückgegangen. Die allgemeine Sterblichkeitsziffer nahm ebenso ab. Der Gesundheitsdienst der Regierung war besser entwickelt als in den umliegenden arabischen Ländern. Der allgemeine Fortschritt zeigte sich auch auf dem Gebiet der Erziehung. Das Analphabetentum nahm von Jahr zu Jahr ab.

Dieser bemerkenswerte Fortschritt war in einem beträchtlichen Grad in dem umfassenden Aufstieg begründet, den das Land unter dem Einfluss der jüdischen Aufbaubestrebungen machte. Die Juden hatten über sechs Jahrzehnte lang Energie, Geschicklichkeit und Hilfskräfte zum Wiederaufbau ihres alten Landes eingesetzt. Die Wirkung war eine Umwandlung, für die es im Mittleren Osten keine Parallele gibt. Die jüdische Neubesiedlung des Landes schuf einen wachsenden Inlandmarkt für die Produkte der Araber und brachte den Fellachen, die die Masse der Bevölkerung bildeten, Wohlstand. Das Beispiel der jüdischen Siedler und ihrer modernen Methoden wirkte sich auf die arabische Bauernwirtschaft anregend aus. Zu gleicher Zeit brachte die jüdische Citruskultur, ihre Industrie und der Import für die arabische Arbeitskraft Nutzen und hob den Standard der arabischen Arbeiterbevölkerung.

Die bemerkenswerten Bestrebungen der jüdischen Arbeiterbewegung wirkten nacheifernswert auf die arabische Gewerkschaftsbewegung. Der große jüdische Beitrag für das Steuereinkommen ermöglichte der Regierung, der arabischen Fellachenbevölkerung beträchtliche Steuererleichterungen zu gewähren und den Gesundheitsdienst, die Erziehung und die Wohlfahrt des Landes auszudehnen. Infolgedessen vermehrte sich die arabische Bevölkerung ständig: während der dreißig Jahre des Mandates nahm sie um mehr als 100 Prozent zu.

Der bedeutsame wirtschriftliche und kulturelle Fortschritt der arabischen Bevölkerung während der Mandatszeit, die diese der jüdischen Einwanderung verdankte, minderte jedoch in keiner Weise ihre bittere Feindschaft ihr gegenüber.

Die politische Kontrolle war schließlich in den Händen des arabischen hohen Komitees konzentriert, das die unbestrittene Autorität unter den Arabern in Palästina hatte und die Unterstützung der Liga nach außen. Der Vorsitz des Komitees wurde für den abwesenden „Führer“ reserviert, den Ex-Mufti von Jerusalem, Haj Amin al Husseini, der ein alter Mitarbeiter Hitlers im Kriege war.

Dies war die Lage der Araber in Palästina, als die Generalversammlung der Vereinten Nationen durch ihre Resolution vom 29.11.1947 die Errichtung von zwei unabhängigen Staaten, einem jüdischen und einem arabischen, in Palästina empfahl.

Die Araber wenden sich heute gegen die Entscheidung der Vereinten Nationen, welche Israel ermöglicht hat, aber sie vergessen, dass ihre heute existierenden Staaten ohne die Vereinten Nationen bzw. ohne die Zustimmung der Siegermächte nicht möglich gewesen wären. Schließlich existieren diese Staaten erst seit den letzten dreißig Jahren. Hätten die Araber 1917 einfach zugestimmt, so würden sie sich die Souveränität über die Hälfte des Landes gesichert haben. Sie hätten also in ihren Heimen bleiben können und einen großen Anteil an der materiellen Wohlfahrt erhalten, die aus der vorgeschlagenen wirtschaftlichen Union mit dem jüdischen Staat erwachsen wäre.

Es kam eben anders. Kaum hatte die Generalversammlung der Vereinten Nationen diesen Anschluss verkündet, zogen sich die Araber zurück und erhoben ihre Waffen gegen ihre jetzigen Nachbarn. Als Folge des arabischen Krieges gegen Israel und des Auszugs von einem großen Teil der arabischen Bevölkerung hat sich die Struktur des arabischen Lebens im Lande Israel weitgehend verändert. Die großen Landeigentümer und wohlhabenden Bauern, die das Rückgrat der halb-feudalen arabischen Gesellschaft auf dem Lande waren, verließen das Land. Die Veränderung in den Städten war noch tiefgreifender. Landherren verloren ihre Pächter, Bank- und Geschäftsleute ihre Kunden, Angestellte und Regierungsbeamte ihre Stellungen. Die alten Parteien, Clubs und Zeitungen verschwanden über Nacht. In der Tat fiel das gesamte soziale Gebilde arabischen Lebens völlig in sich zusammen. Alle politischen und kommunalen Führer verschwanden praktisch von der öffentlichen Bühne, und es gab niemanden, der ihren Platz hätte einnehmen können. Die Aufgabe einer Reorganisation arabischen Lebens, vor die sich die Regierung gestellt sah, wurde außerdem noch durch einen fast völligen Mangel an ausgebildeten Kräften für Erziehung, Gesundheit und Wohlfahrt erschwert.

Trotz dieser Schwierigkeit ist in den vergangenen drei Jahren bei der Wiederherstellung des wirtschaftlichen Lebens der arabischen Fellachen ein beachtlicher Fortschritt erreicht worden, man hat den Lohnstandard arabischer Arbeiter in den Städten erhöht und auf den Gebieten der Gesundheit, Erziehung, der sozialen Wohlfahrt und des religiösen Lebens für die Bedürfnisse der arabischen Bevölkerung Sorge getragen.

Die arabische Bevölkerung nimmt am öffentlichen und politischen Leben aktiven Anteil. Arabisch ist jetzt praktisch als offizielle Sprache in Israel anerkannt, Münzen, Briefmarken und Banknoten tragen arabische Inschriften, der Staatsanzeiger erscheint auf arabisch wie auf hebräisch und die arabische Sprache wird bei Gericht, in Verbindung mit Regierungsfällen und in Parlamentsdebatten völlig frei verwandt. In allen staatlichen arabischen Schulen ist das Arabische natürlich auch die Unterrichtssprache.

Im Jahre 1952 betrug die nicht-jüdische Bevölkerung in Israel ungefähr 170 000, davon waren 119 000 Muslime, 35 000 Christen und 15 000 Drusen. Davon lebten ungefähr 32 000 in Städten, 120 000 in Dörfern und 18 000 führten ein Nomadendasein. Hinsichtlich der christlichen Araber weist die Statistik eine interessante Tatsache auf. Obwohl diese größtenteils Stadtbewohner waren, die sonst meist zuerst das Land verließen, wanderte jedoch ein weit geringerer Prozentsatz von christlichen Arabern aus als moslemische Araber. Daher wurde auch das Alltagsleben der christlichen Gemeinschaften von der allgemeinen großen Veränderung weniger betroffen als das des moslemischen Bevölkerungsteils. In ähnlicher Weise wurde auch das religiöse Leben der christlichen Araber durch den Krieg und den arabischen Auszug weniger betroffen, weil die meisten christlichen Kirchen stets ihre eigenen Leute und Einrichtungen unterhielten. Die Tatsache, dass eine Anzahl christlicher Konfessionen von einem nichtarabischen Klerus betreut wurde, hat die ununterbrochene Aufrechterhaltung der Gottesdienste sehr erleichtert.

Das Budget des Staates Israel kennt keine Unterscheidung zwischen jüdischen und arabischen Bevölkerungsteilen. Aber abgesehen von den allgemeinen Ausgaben, die allen Einwohnern des Landesgleicherweise zugute kommen, gibt es besondere Positionen für arabische Bedürfnisse im Budget.

Eine Anzahl von Arabern kehrt nach Israel zurück innerhalb der Aktion für die Wiedervereinigung getrennter Familien. Andere verlassen Israel, um in eines der Nachbarländer oder nach Übersee zu gehen.

Eine größere Wiedereinwanderung von Arabern nach Israel ist durch die wirtschaftliche und politische Lage nicht möglich.

Seit der arabischen Auswanderung hat das Land über 700 000 jüdische Auswanderer aufgenommen (zu Beginn des Jahres 1952), von denen etwa 250 000 aus arabischen Ländern kamen, und die meisten waren in einem sehr elenden Zustand.

Es wird Zeit brauchen, bis normale Verhältnisse geschaffen sind. Sehr erschwert wird dieser Prozess durch die feindliche Einstellung der arabischen Regierungen und ihrer palästinensischen Mitarbeiter. Dieselben politischen Gruppen, die den verhängnisvollen Krieg gegen Israel mitentfachten, die die Masse der arabischen Bevölkerung durch falsche Versprechungen veranlassten, das Land zu verlassen, und die die Lösung des arabischen Flüchtlingsproblems durch wirksame Siedlung hindern, und einen Friedensschluss mit Israel zurückweisen, hemmen auch die Normalisierung des Lebens in Israel.


(Aus: The Arabs in Israel. Veröffentlicht durch die Regierung von Israel, Januar 1952.)

V. Folge 1952/1953, Nr. 19/20, Januar 1953, S. 16–17



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