(Verlesen in den katholischen Kirchen Deutschlands am 23.9.1962)¹

„In einer großen Stunde der Kirche haben wir deutschen Bischöfe uns am Grab des hl. Bonifatius in Fulda versammelt, bevor wir am Grabe des hl. Petrus in Rom zusammenkommen, um am Zweiten Vatikanischen Konzil teilzunehmen, das Papst Johannes XXIII. zum 11. Oktober einberufen hat.

Wenn wir uns am Vorabend dieser 21. Ökumenischen Kirchenversammlung nochmals im gemeinsamen Hirtenwort an Euch wenden, erfüllen wir zugleich einen Herzenswunsch unseres Heiligen Vaters, der in seiner Enzyklika ‚Paenitentiam agere’ vom l. Juli 1962 alle Bischöfe des Erdkreises aufgerufen hat, die Gläubigen zur letzten Vorbereitung auf das nahe Konzil anzuhalten ...

In dieser historischen Stunde rufen wir unsere Diözesanen auf zur ernsten Sühne für all die furchtbaren Verbrechen, die von gottlosen Machthabern im Namen unseres Volkes gegen die grundlegenden Menschenrechte verübt wurden.

Erneut erinnern wir in diesem Sühne-Appell insbesondere an die unmenschliche Vernichtungsaktion gegen das jüdische Volk, das der Menschheit die Offenbarung des einen wahren Gottes überlieferte und dem der Welterlöser Jesus Christus dem Fleische nach (Röm 9,5) entstammt.

Wer vielleicht selber sich vom Machtrausch blenden und vom gottlosen Rassenwahn anstecken ließ, hat umso mehr Grund, den Weg der Buße und Sühne zu gehen.

Im Namen unseres ganzen Volkes aber rufen wir mit dem Psalmisten Israels im DE PROFUNDIS um Gottes Erbarmen: ‚Wolltest Du, Herr, der Sünde immer gedenken, Herr, wer könnte bestehen? Doch bei Dir ist Vergebung der Sünden’ (Ps 129,3.4).“

1. Aus dem Hirtenwort der in Fulda am Grab des hl. Bonifatius versammelten Bischöfe Deutschlands, Fulda, den 29. August 1962. (Entnommen dem Abschnitt: Confiteor und mea culpa. Freiburg/Br., 12. September 1962.)

XIV. Folge 1962, Nummer 53/56, September 1962, S. 3